Aufgrund der Reaktionen zu unserem Auswertungstext der Demo Ende Juli 2023 in Zschocher eröffnen wir an dieser Stelle die Rubrik „Debatte“. Hier dokumentieren wir die bisherigen Beiträge. Als Vernetzung arbeiten wir derzeit an einer Antwort auf die beiden Repliken und freuen uns auf weiteren Austausch und Praxis.
1. Auswertungstext der „A Monday without you-Demo“ in Zschocher
antifavernetzungleipzig | 27.08.2023
2. Einige Gedanken zu der Demo in Zschocher am 31.7. und deren Auswertung
anonym | 05.09.2023
Wir finden es gut, dass die Antifaschistische Vernetzung Leipzig die „A Monday without you“-Kampagne ins Leben gerufen hat und wir gemeinsam mit 150 Menschen durch Zschocher gelaufen sind. Den FaschistInnen dort zu begegnen, wo sie sich in Sicherheit wähnen, ist immer richtig und notwendig. Denn sie können sich in Sachsen und auch in Leipzig – so lange sie sich benehmen – an vielen Orten einer Akzeptanz oder zumindest einer gleichgültigen Stimmung sicher sein.
Wir fanden die Demo eigentlich ziemlich gelungen. Im vorderen Teil wurden fast durchweg Parolen gerufen, es gab viele Transparente und Fahnen. Allerdings haben wir einige Anmerkungen zu der Auswertung, die die Genoss:innen der AVL am 27. August auf knack.news (https://knack.news/6608) veröffentlicht haben. Wir sehen es ziemlich kritisch, dass Gruppen immer wieder aufs Neue das haltlose Argument vorbringen, dass ein „Blackblock“-Auftreten dem Anliegen einer Antifa-Demo schaden würde. Die Frage ist natürlich, was das gemeinsame Anliegen einer solchen Demonstration in Zschocher ist. Doch wenn man dem Aufruf folgt, geht es darum die rechten Akteure in ihren Kiezen zu besuchen, sie aus der Deckung zu holen und sie somit zu bedrohen. Außerdem soll sich mit den antifaschistisch organisierten Menschen vor Ort solidarisiert werden.
Dass ein „Blackblock“-Auftreten an diesem Tag dem Anliegen schadete, halten wir für falsch. Des Weiteren verharmlost die Forderung nach ziviler Kleidung (Wer entscheidet das eigentlich? Sollen wir das nächste Mal in Abendgarderobe kommen und so herumlaufen wie die Gesellschaft es unserem jeweiligen Geschlecht zugesteht, damit wir niemanden verschrecken?) die Tatsache, die ja im Aufruf als Gegebenheit anerkannt wird, nämlich dass wir uns durch einen eher feindlich gesinnten Kiez bewegten. Einem Stadtteil, in dem Nazis wenig Widerspruch erfahren und durchaus gewaltvoll die Straße terrorisieren. Die am Rande stehenden FaschistInnen waren ein Beweis dafür, dass eine handfeste Auseinandersetzung hätte notwendig werden können. Die rechten Videostreamer:innen oder anderen Anwohner:innen mit Kameras geben ebenfalls Anlass dazu, sich eher unkenntlich zu machen. Ganz abgesehen von der Diskussion über (linke) Pressevertreter:innen, die es derzeit auf knack.news. (https://knack.news/6569) gibt. Wenn wir nicht selber dafür sorgen können – oder wollen – uns unkenntlich zu machen, dann verlassen wir uns doch schlussendlich auf die Bullen. Ein Verlass darauf, dass diese dafür Sorge tragen, dass die mit Glasflaschen bewaffneten Rechten unserer Demo nicht zu nahekommen und angreifen gibt es sicherlich nicht. Sprich, wir uns doch spontan gegen die Faschos wehren müssen und dabei riskieren von den anwesenden Kameraträger:innen gefilmt zu werden.
Wer dem Anliegen FaschistInnen die Stirn zu bieten weniger Wert zumisst, nur weil ein paar Leute schwarze Klamotten tragen und Parolen rufen die einigen nicht passen – denn nichts anderes wird der kritischen Bewohner:innen Zschochers im Text unterstellt – ist diesem Anliegen und dem Begehren nach einer ganz anderen Welt wohl allgemein doch ferner, als zu vermuten wäre. Uns geht es nämlich nicht um die akkurate bürgerliche Gesellschaft, sondern um den Bruch mit dieser. Zwar sollte das Restpotenzial der bürgerlichen Freiheit verteidigt werden gegen FaschistInnen, aber der Schoß ist fruchtbar, noch aus dem sie unentwegt kriechen. Die Biederkeit und Ordnungsliebe ist eben auch ein Versuch, sich mit der eigenen Ohnmacht, ausgelöst durch die gesellschaftlichen Verhältnisse, zu arrangieren.
Der viel zitierte Rechtsruck ist nicht als Ausdruck einer am Rand stehenden faschistischen Gruppierung zu verstehen, sondern als ein Phänomen, das sich durch alle Schichten und somit auch durch Teile der Linken zieht. Wenn sich die bürgerliche Moralvorstellung und Hegemonie, die diese zu beanspruchen versucht, nur noch als Teil der unvernünftigen gesellschaftlichen Dynamik erweist, gilt es diese zu kritisieren und nicht affirmativ ihren Ansprüchen nachzukommen; Ansprüchen, wie eine Demo auszusehen hat, damit ihr Gehör geschenkt wird. Dies würde bedeuten, sich in Inhalt und Form immer weiter anzugleichen an das, was durch die vermeintlich bürgerliche Moralvorstellung noch abgedeckt ist. Gerade die Ereignisse um den Tag-X haben ohnehin bewiesen, dass wir durch die bürgerlichen Medien nicht mehr als Teil der Bürger:innen gesehen werden; in ihren Augen kein Recht auf Mitsprache und Demonstration haben sollten. Wir sind schon lange die Schmuddelkinder und tun gut daran, uns weiterhin die Hände schmutzig zu machen.
Vermummung ist in den meisten Fällen kein Selbstzweck, sondern Selbstschutz. Es geht hierbei nicht um das Abfeiern eines kulturellen Bildes der langvergangenen Zeiten der Autonomen Antifa M. Es geht um einen Versuch einer eigenständigen autonomen Praxis. Das Hochhalten dieser Autonomie kommt ohne kritisches Denken nicht aus. Und wer nicht bereit ist die Gedankenaufgabe zu erfüllen und zu versuchen, nachzuvollziehen, warum Leute sich vermummen, der:die räumt dem Denken vielleicht nicht eine so bedeutende Relevanz ein oder aber traut es den Anwohner:innen in Zschocher nicht zu.
In der Auswertung wird unterstellt, dass Menschen sich nur noch aus Spaß an der Sache vermummen. Die bittere Realität ist aber, dass zu viele die Dimension der rechten Mobilmachung und der allgemeinen Absage an das vernünftige Denken nicht ernst genug nehmen. Lasst die Leute in schwarz oder bunt kommen und bitte hört auf, ohne Argumente eine kulturelle Hegemonie eurer Vorstellung eines Szenecodes durchzusetzen. Wir wollen unversöhnlich sein mit dieser Gesellschaft. Der Bruch muss her. Wer das nicht anerkennt, hat sich abgefunden mit der Vernichtung, die dem Bestehenden innewohnt. Wer schwarze Kleidung als Störung empfindet oder diese den Anwohner:innen eines Viertels unterschiebt, möchte sich vielleicht auch nur abarbeiten an etwas Greifbaren. Die eigene innere Ruhe finden in der (Selbst-)Bestätigung, dass die anderen genauso adrett auftreten, wie man selber und wie man dies vorab gefordert hat. Dann ist die Sache schon geregelt und man konnte sich durchsetzen – wenn auch nicht gegen die FaschistInnen – in Zeiten in denen dies eine große Herausforderung für emanzipatorische Projekte darstellt. Vielleicht ist die eigene Schwäche und Marginalität anzuerkennen, anstatt diese schmerzhaften Erfahrungen weiter zu verdrängen und sich Handlungsmöglichkeiten und Bewegung vorzutäuschen wo sich eigentlich nur im Kreis gedreht wird. Der Blick mag dann vielleicht etwas weniger verstellt sein und Diskussionen ermöglichen, die die Ernsthaftigkeit unsere Lage widerspiegeln. Dann müssen wir nicht weiter über Klamotten und Dresscodes sprechen.
Wir sehen uns beim Tag-X-Festival und in Grünau!
3. Are you serious? Antwort auf die Auswertung zur Demo in Zschocher am 31.07.
army of clowns | 06.09.2023
Am 31.07. hatte die Antifaschistische Vernetzung Leipzig /AVL zu einer Demonstration unter dem Motto „A Monday without you – wer Faschismus sät, wird Antifaschismus ernten“ in Groß- und Kleinzschocher mobilisiert und dazu einen kurzen Auswertungstext verfasst.
- Zu finden ist er hier: https://knack.news/6608
Hierauf eine kurze Antwort, weil wir mit der „Analyse“, die dort stattfindet, nicht einverstanden sind. Mit der Demonstration hingegen waren wir sehr einverstanden und finden es gut, dass die AVL sie veranstaltet hat.
- Es gibt auch schon eine Antwort, der wir uns anschließen können: https://knack.news/6654.
Vorneweg erstmal eine Sache: Eine Analyse der Demonstration setzt voraus, dass man sich kritisch mit dieser auseinandersetzt und nicht einfach das wiederholt, was man sowieso schon denkt. Irgendwelche Allgemeinplätze auf ein konkretes Geschehen anzuwenden ist keine Analyse. Das ist vielmehr der Versuch, unter dem Titel der Analyse seine persönliche Meinung durchzusetzen, indem sie als Ausdruck des besonders reflektierenden Denkens erhöht wird. Die vorgelegte „Analyse“ tut aber genau das. Sie bezieht sich nur ganz oberflächlich auf das konkrete Geschehen und führt dann aus, was ganz losgelöst von diesem für richtig befunden wurde.
Nun erstmal der Reihe nach: „Die Versammlung hat einige Neonazis aufgescheucht, die das Geschehen aus Seitenstraßen heraus beobachtet haben.“ Das können wir so teilen und hat uns gefreut, auch wenn zu der Beobachtung dazu gehört, dass sich diese gegenüber der Demonstration in keiner Weise zurückhaltend gezeigt haben. Sie waren zwar verärgert über die Demonstration und fanden wohl auch, dass diese in „ihr Viertel“ eindrang, aber sie hatten keine Hemmung, die Demonstration anzupöbeln oder zu bedrohen. Ein Mann kam einfach aus der Einfahrt seines Wohnhauses, um ein paar Drohungen zu äußern, ein anderer pöbelte „was, mehr seid ihr nicht, ihr Hansel“ aus dem Fenster seiner Wohnung. Wir können also festhalten, dass die Demonstration offengelegt hat, wie sicher sich das rechte Pack in Zschocher fühlt. Die Demonstration hat sie zwar aufgebracht, aber in gewisser Weise das Gefühl von Stärke und Dominanz im Viertel noch einmal verstärkt. Das lasten wir natürlich nicht der Demonstration oder dem Anliegen an, sondern vielmehr dem Umstand, dass die Mobilisierung für die Demonstration nicht wirklich mobilisieren konnte, aber zur Kenntnis nehmen muss man das ja mal, gerade in einer Analyse. Dann wird auch die Aussage „Parolen wie „Gebt dem Nazi was er braucht …“ finden wir peinlich.“ noch einmal interessanter und weist über das Gefühl der Peinlichkeit hinaus. Dieses ist ja für eine politische Analyse gar nicht interessant: Ob jemandem etwas peinlich ist oder nicht, ist ganz subjektiv. Anderen ist es offensichtlich nicht peinlich und so bleibt es dann ja stehen: Die einen so, die anderen so. Es scheint doch aber so zu sein, dass der Spruch irgendetwas erwirken soll, dafür wird er gerufen und was soll es anderes sein, als den Ausdruck von Gefährlichkeit, Krassheit und Bedrohung zu vermitteln, um den damit adressierten Feind einzuschüchtern? Es ist aber – ganz losgelöst von derlei Sprüchen – etwas, was die Demo nicht ausgelöst hat. Das verweist zusammen auf ein weiteres konkretes Problem: Antifaschismus fehlt in Leipzig (und anderswo) derzeit eher der Ausdruck der Stärke und ist in der Gesellschaft zunehmend isoliert.
Wenn das auch zusammenhängt, so sind es doch auch zwei unterschiedliche Anliegen, die sich daraus ergeben: Zum einen soll die gesellschaftliche Isolation durchbrochen, zum anderen Nazis und andere rechte Strukturen eingeschüchtert, also das verwirklicht werden, was nicht der Fall ist.
Hieraus erklärt sich nun auch jenes Problem, was hier – wie schon im Aufruf – von der AVL als wesentlich ausgemacht wird: Dass die Demonstration von ihrem Look her dem Versuch schadet, die gesellschaftliche Isolation zu durchbrechen, weil sich nicht an den zuvor geäußerten Wunsch gehalten wurde, sich nicht schwarz anzuziehen: „Außerdem haben wir es nicht geschafft unsere gewünschte Außenwirkung zu erzielen“, obwohl „wir vorher klar kommuniziert hatten auf ein Auftreten in „schwarz“ doch bitte zu verzichten.“ Oder war das vielleicht schon mehr als nur ein Wunsch? Es wurde klar kommuniziert, auf ein Auftreten in schwarz zu verzichten – eine solche Aussage lässt doch einen gewissen autoritären Einschlag nicht leugnen. Natürlich geht die AVL nicht so weit, eine bestimmte Kleiderordnung anzuweisen, vermutlich aber nur, weil das ihr nicht zusteht. Das Insistieren auf die schlechte Wirkung schwarzer Kleidung, welche dann verhindert, die doch so sehr „gewünschte Außenwirkung zu erziehlen“ jedenfalls legt aber nahe, dass man eigentlich doch will, dass die Demonstrationsteilnehmenden sich an das halten was „klar kommuniziert“ wird. Frecherweise werden nun von der AVL hierfür auch noch die antifaschistischen Bewohner:innen von Zschocher vorgeschoben, denn schließlich hätten diese den Wunsch nach einer einheitlichen Demonstration nicht geäußert. Hätten diese das getan, wären sie natürlich auch für eine solche Demonstration eingetreten. Vielleicht findet die AVL dieses „Argument“ ja selbst überzeugend, vielleicht ist es auch so vorgeschoben, wie es wirkt, denn mal ehrlich: Wann und wo ist sowas jemals vorgekommen? Wie soll das aussehen? Sollen die antifaschistischen Bewohner:innen, die sich natürlich alle untereinander kennen, sich vor der Demo in einer Stadtteilversammlung treffen, sich absprechen, einen Konsens zu dieser Frage finden und ihn dann der AVL mitteilen, damit diese dann den Willen der Viertelbewohner:innen umsetzt? Woher überhaupt weiß denn die AVL, dass unter denen, die „völlig vermummt“ waren, niemand aus Zschocher war?
Dazu noch etwas. Erstens: Es waren im Grunde niemand „völlig vermummt“. Eine Person zog, soweit wir das mitbekamen, die Aufmerksamkeit der Bullen auf sich, weil sie neben einer aufgezogenen Kapuze noch eine FFP2-Maske oder ähnliches trug. Das ist zwar irgendwie eine Vermummung, aber doch in keinem Fall eine „völlige“ Vermummung. Alle andere trugen einfach nur schwarz. Nun hier zu versuchen, die Frage nach Vermummung vermeintlich aus strategischen Erwägungen zu klären, während die Bullen dafür am liebsten jeden lang machen würden, der auch nur im Ansatz vermummt ist, macht ein völlig falsches Diskussions- und Auseinandersetzungsfeld nach innen auf, welche in der Hauptsache doch sowieso die ganze Zeit mit den Repressionsorganen geführt werden muss.
Darüber hinaus ist es doch ein Irrglaube, dass das eigene Anliegen irgendwie besser rüberkommt, wenn wir uns angepasst kleiden. Dass wir nicht angepasst sind, das wissen alle. Niemand wird sich darüber täuschen lassen, wer wir sind, weil wir ein adrettes Hemd anziehen. Selbst wenn wir alle zusammen vorher durch H&M gestiefelt wären, um uns einzukleiden, hätten die Bewohner:innen von Zschocher nicht applaudierend die Straße gesäumt und der AVL Fanpost geschrieben. Die Außenwirkung wäre wesentlich die gleiche geblieben. Und überhaupt: Wesentlich sollen sich die Menschen doch von uns ab- oder zu uns hinwenden wegen unserer Inhalte und Positionen und nicht deswegen, weil wir im gesellschaftlichen Sinne gut oder schlecht gekleidet sind. Zudem hat ja selbst die AVL in ihrer „Analyse“ festgestellt: „Froh waren wir über die Resonanz, die die Demo in Zschocher erzielt hat. […] Viele Anwohner*innen haben uns Sympathie entgegengebracht und aus ihren Fenstern oder von ihren Balkonen aus zugehört.“ Ja, was denn nun? Wieviel mehr Zuspruch wurde denn erwartet dafür, dass man zum einen seit langer Zeit überhaupt mal wieder in Zschocher auftaucht und zum anderen als AVL das erste Mal überhaupt auf die Bühne getreten ist? Unser Eindruck war das jedenfalls auch, dass uns zugewandte Rückmeldungen da waren, und zwar explizit einer Demonstration gegenüber, die in schwarz aufgelaufen ist.
Noch etwa zu diesem Thema: Die AVL schreibt „Es gibt Anlässe, da ist ein Auftreten als Blackblock zum Schutz vor Identifizierung und Repression sinnvoll.“ und „Die Versammlung wurde ihren gesamten Verlauf über von einer großen Anzahl von Pressevertreter*innen und Fotograf*innen auch aus dem linken Spektrum begleitet.“ Woher hat die AVL das Wissen, wann für wen aus welchem Grund der Schutz vor Repression und Identifizierung sinnvoll ist? Offensichtlich bemerkt wurde ja wohl, dass viel fotografiert und gefilmt wurde. Filmaufnahmen wurden von der L-IZ unverpixelt ins Netz gestellt. Zu anderen Zeiten kommen regelmäßig rechte Streamer um die Ecke, um zu filmen. Aber davor schützen soll sich niemand, weil es vermeintlich das Außenbild der Demo beeinträchtigt? Hier noch davon zu sprechen, dass man damit einen „sinnlosen Anlass zur Repression“ bietet, ist schon dreist.
Statt auf der Seite derer zu stehen, die sich – und bei dieser Demo ja wirklich nur ein kleines bisschen – aus welchem Grund auch immer vermummen, will die AVL lieber mit den Vertreter:innen der Presse kungeln, die ohne jede Hemmung Bilder von Antifaschist:innen ins Netz stellen. Man habe diese nicht so zahlreich erwartet, man würde sich aber „über eine Absprache im Vorfeld oder zum Demoauftakt am Lauti freuen, (um eine bessere Zusammenarbeit zu garantieren/um uns besser abzustimmen).“ Und als Letztes nochmal ein Punkt: Es gibt natürlich viele Möglichkeiten sich zu kleiden und in der Regel kleiden sich die Menschen ja so, wie es ihnen gefällt, ihnen nützlich ist usw. Für viele ist das Tragen schwarzer Kleidung aber nicht ein Outfit, das sie sich anziehen, wenn sie demonstrieren gehen, wohingegen sie sonst immer in allerlei Farben herumspringen. Gerade bei „uns“ gibt es doch viele, die fast immer in schwarz gekleidet sind. Zu erwarten, dass sich nun extra ein buntes oder graues oder was sonst für ein Outfit zuzulegen ist, nur weil sich das die AVL aus der falschen Annahme, so ließe sich mehr Bürger:innennähe herstellen, wünscht, ist geradezu absurd. Soviel erstmal zum „Black-Block“-Thema.
Zuletzt schreibt die AVL: „Auch wenn wir mit der Zahl von 150 Demonstrant*innen zufrieden sind, stellt sich die Frage, warum in Leipzig kaum noch größere antifaschistische Mobilisierungen möglich sind. Neben der Repression der vergangenen Jahre hat das sicher mit einem Überangebot an Versammlungen und mit der Enttäuschung nach manchen Demos zu tun. Insbesondere aber damit, dass die Leipziger Szene untereinander nicht gut genug vernetzt ist. Uns fehlen ebenfalls Kontakte zu Teilen der Szene – gezielte Mobiveranstaltungen könnten hier in Zukunft Abhilfe schaffen. Insbesondere geht es aber darum, verloren gegangenes Vertrauen untereinander zurückzugewinnen und zu zeigen, dass Versammlungen konkrete Ziele verfolgen, nachhaltig und sinnvoll sind.“
Zuerst einmal: Wir waren mit der Anzahl der Demoteilnehmer:innen nicht zufrieden, es hätten ruhig ein paar mehr sein können, gerne doppelt so viele. Tatsächlich stellt sich die Frage, wieso so wenig gekommen sind. Dass antifaschistische Mobilisierungen in Leipzig kaum noch möglich sind, würden wir jedoch bestreiten. Das Problem ist ganz sicher nicht das Überangebot (was ist das denn bitte für eine oberflächliche Betrachtung? Wo soll den dieses Überangebot sein?), sondern vielmehr die abnehmende Qualität der Mobilisierung, die oft schon an schlechten und nahezu inhaltsleeren Aufrufen zu erkennen sind, aber sich darin nicht erschöpfen; zugleich ist es so, dass insgesamt eine Demobilisierung eingesetzt hat, die vielerlei Ursachen hat, die wir hier nicht umfassend behandeln können. Sicher ist aber, dass Mobilisierung nicht etwas ist, was erst anfängt, wenn Aufruf und Plakate zu einer Demo mobilisieren, vielmehr ist es ein allgemeiner Zustand der Bewegung: Entweder wird sie dem Namen „Bewegung“ durch eine solche Praxis gerecht; das bedeutet aber auch, dass alle im Allgemeinen bereits „mobil“ sein müssen. Oder sie beginnt sich selbst stillzustellen und damit sich aufzulösen. Das ist ein Zustand, der auch dadurch eintritt, dass sich das Denken stillstellt, wie etwa bei den Rotgruppen oder allen anderen, die mit ihrem verhärteten Denken ganz genau wissen, wie alles zu bewerten ist, gut beobachtet werden kann.
Größere Mobilisierungen zu erreichen, ist viel Arbeit und auch mehr Arbeit, als eine Demonstration zu veranstalten und danach einfach ins Lamenti einzustimmen, dass zu wenig geht. Dass so wenige kamen, verweist jedenfalls darauf, dass einiges an Aufbau nötig ist, um wieder Größeres hinzubekommen, während – da stimmen wir zu – die Repression alles dazu beiträgt was sie kann, den Abbau und Zerfall von allem voranzutreiben und das ausgerechnet in einer Situation, wo praktischer Antifaschismus immer dringender wird. Dass es darum geht Vertrauen zurückzugewinnen, sehen wir allerdings auch so. Es braucht eine sich ihrer selbst bewusste Bewegung.
Wir haben hier mal kein Blatt vor den Mund genommen. Aber wir werden das Anliegen der AVL mindestens in Teilen weiter unterstützen, auch wenn das hier anders rüberkommen mag. Wir sehen Dinge unterschiedlich und stehen bei einigen Punkten im Widerspruch zueinander – eine antifaschistische Bewegung wird aber ihre Stärke nie aus Homogenität gewinnen, sondern daraus, dass die Unterschiedlichen zusammenstehen.
In diesem Sinne
Alerta Alerta!
Wir sehen uns auf den Straßen.
4. Let’s be serious – Eine Antwort auf die Kritiken am Auswertungstext zur Zschocher-Demo der AVL
antifavernetzung leipzig | 01.11.2023